imageSo, Weihnachten wäre geschafft. Und es war gar nicht so schwer wie zunächst erwartet. Nachdem ich aus Barcelona zurückgekommen war, hatte ich ein paar sehr trübe Stunden. Kurz vor den Feiertagen wurde es dann wieder besser. Und an Heiligabend selbst wurde mir klar, warum dieses Fest mir nicht so viel anhaben kann: Weil es auch bisher nicht so viel danstellte, weder für Johannes noch für mich. Die Feier bei seinen Eltern ist nicht so sehr mit Bedeutung aufgeladen, sie hat wenig Fallhöhe. Was ich vor zwölf Jahren, als ich meine Familie kennenlernte, noch ein wenig bedauerte, diesen gewissen Mangel an Feierlichkeit, das habe ich irgendwann als Unaufgesetzheit zu schätzen gelernt. Diesmal hat es mir sogar sehr geholfen.

Im Übrigen heißt das nicht, dass es keine besonderen Herzensmomente gegeben hat. Einer kam in Form eines Gutscheins daher. Sechs Monate Klavierunterricht darf ich nun nehmen – ich will es nochmal mit Jazzklavier versuchen. Das Geschenk selbst hat mich gefreut, aber nicht überrascht. Der Gutschein aber hatte es in sich: so viel Mühe, so viel Liebe! Umgekehrt hat sich ein kleinerer Trauer-Brocken aufgelöst, indem ich meinem Schwiegervater das iPad von Johannes schenken konnte. Dieses Gerät spielte für meinen geliebten Mann eine zentrale Rolle. Es war für ihn ein ständiger Begleiter, Werkzeug und Zerstreuung zugleich, täglich in Händen, immer griffbereit. Viel von seinem Wesen und seinen Interessen spiegelte sich in der Gestaltung, der Ordnung und der App-Sammlung wider. Es war deshalb eines der großen Problemfälle. Ständig habe ich es auf der Arbeitsplatte der Küche und in meinem Kopf hin- und hergeschoben.

Jetzt hat es den perfekten Platz gefunden. Johannes hätte es seinem Vater nämlich sehr, sehr gerne gegeben, wie er ihm überhaupt stets gerne Geschenke gemacht hat. Wir haben es bewusst weitgehend so gelassen, wie Johannes es eingerichtet hatte. Na gut, ich habe einige voluminöse Pokémon-Apps gelöscht, auch die Mailkonten und die Fotos. Diese Vorbereitungen haben mich einen ganzen Tag gekostet, schließlich wollten die Bilder ja gesichtet und verarbeitet sein.

Jetzt ist wieder Trauerpause, so scheint mir. Weil mir für die Zeit zwischen den Jahren nichts Besseres einfiel, habe ich mich gestern wieder ins Auto gesetzt, Mitfahrer eingesammelt (ich achte jetzt sehr aufs Geld!) und bin nach Prag gefahren. Hier sitze ich jetzt nach der langen Tour, Disko bis um morgens sechs und vier Stunden Schlaf im Auto, erstaunlich ausgeruht, regelrecht vergnügt. Vor meiner Nase brummt die Stadt in der Sonne, tausende Touristen sind ausgeschwärmt, auf dem Wenzelsplatz drängen sie sich um die Weihnachtsmarkt-Buden.

Zwei Nächte will ich hier bleiben, moderne Kunst und den Zoo sehen. Was danach kommt, wird sich zeigen. Silvester, schätze ich mal. Und da dürfte ich nicht ganz so mühelos durchkommen. Denn der Jahreswechsel mit Johannes hat mir immer sehr viel bedeutet. Ein echter Anlass, Rückblick und Ausblick voller Dankbarkeit, Sorge und Hoffnung – das war Silvester zuletzt. Ein paar innige Minuten, die im Getöse des Feuerwerks eher noch intimer wurden. Wahrscheinlich werde ich mir diesmal eine ähnliche Situation suchen: Einsam in der Menge. Alleine mit Johannes.