Das Leben davor
Der Tag, an dem das Davor in das Danach überging, war der 23. August 2015. Kurz vor 12 Uhr mittags ist Johannes, mein geliebter Mann, an einem Hirntumor gestorben. An meiner Hand, in einem Wuppertaler Krankenhaus. Bis dahin hatte ich mein Leben und meine Gedanken mit ihm geteilt. Jetzt gibt es dieses Blog.
Johannes wurde 32 Jahre alt, mehr als zwölf davon hat er mit mir verbracht. Dafür bin ich ihm unendlich dankbar. Denn wer legt sich schon mit 20 auf den Mann fürs Leben fest? Nun, auch wir haben anfangs nicht geahnt, wie groß das gemeinsame Projekt einmal werden würde. Als ich Johannes im Dezember 2011 den Heiratsantrag gemacht habe, waren wir uns einander aber längst sicher. Und das Unheil war schon so nah. Im Februar zogen wir in unsere gemeinsame Wohnung nach Vohwinkel, am 2. April musste er mit nicht enden wollenden Schwindel- und Übelkeitsattacken ins Krankenhaus. Bei der Operation wenige Tage später wurde aus den schlimmsten Befürchtungen Gewissheit: Er hatte ein Glioblastom, einen Tumor, der so gemein ist, dass manche Ärzte von ihm sagen, dass 99 Prozent der Patienten daran sterben – und das restliche Prozent Fehldiagnosen sind.
Er hat den Kampf dennoch aufgenommen. Und wie! Mit leiser, tief empfundener Lebensfreude – und mit eiserner Disziplin, einer seiner großen Tugenden. Die Krankengeschichte hätte gut ein anderes Blog füllen können. Doch dafür war keine Zeit. Wir haben lieber die Ernährung umgestellt, Qi Gong gemacht und viel Sport getrieben, haben Kino, Kleinkunst und Konzerte besucht, sind alle naselang verreist, mal für ein Wochenende zum Go-Turnier, mal mit Freunden ins Ferienhaus, mal für zwei Wochen nach Japan – und immer wieder zu kleinen und großen Kreuzfahrten. Wir haben uns über seine Fortschritte gefreut und Rückschläge beweint. Ein Chemozyklus löste den nächsten ab, ganze Monate war er zur Bestrahlung in Heidelberg oder zur Reha in Bad Oexen, jede Woche gab es mehrere Ergo- und Physiotherapietermine. Es war von allem sehr viel. Viel Leben, viel Liebe, viel Leiden.
In diesem Jahr, 2015, ging es dann erst langsam und beinahe unmerklich bergab, später immer steiler. Noch vier Wochen vor Johannes Tod haben wir das nahende Ende nicht sehen wollen, drei Wochen vorher noch eine neue Therapie begonnen. Zuletzt ging alles viel zu schnell.