Seit etwas mehr als einer Woche bin ich nun in Thailand und fühle mich zum ersten Mal gesund und wohl. Nun, besser spät als nie. Ich bin heute mit einem Lied im Kopf wach geworden, es hat mich selbst überrascht, wo das plötzlich herkam. Ich hatte es für Johannes geschrieben, mit Hilfe von Freunden, trotzdem wohl eher lausig naiv. Aber ich wollte ihm unbedingt eine ganz besondere, musikalische Liebeserklärung machen. Im Text hatte ich Vergleiche mit dem Meer bemüht, wollte sagen, dass er für mich Kompass und Orientierung auch auf hoher See bedeutet. Ein paar einfache Klavier-Begleitakkorde hatte ich in der Nacht vor seinem Geburtstag dann aufgenommen, damit mir beim Singen dazu nicht alles durcheinander gerät. Und so war es schließlich, wie erhofft, ein wunderbarer, leiser Moment, dieser Morgen in dem Ferienhaus mit Blick auf den Gardasee, wo wir mit Freunden den 30. Geburtstag von Johannes gefeiert haben.
Nun bin ich gestern in Chiang Mai angekommen. Die Nase läuft zwar immer noch etwas, aber das könnte auch, wie ich inzwischen erfahren habe, an dem Smog liegen, der hier in diesen Tagen herrscht. Immer um diese Jahrezeit brennen die Bauern in der Grenzregion von Thailand, Myanmar und Laos ihre Felder ab und hüllen Nordthailand damit in eine fiese Dunstglocke. Die Leute husten, Flüge fallen aus, die Sonne scheint manchmal nur wie durch gelbes Milchglas.
Und ausgerechnet dort wo der Qualm am schlimmsten ist, war ich Mitte der Woche, denn dort schlägt auch das Herz des thailändischen Teeanbaus: In Doi Maesalong, nördlich von Chiang Rai, nahe der Grenze zu Myanmar. Das chinesisch-stämmige Dorf pflegt seit rund 25 Jahren intensiv den Teeanbau – und strebt mit taiwanesischer Hilfe nach internationalem Renommée. Dabei will ich nun gerne behilflich sein. Was ich erfahren, gesehen und geschmeckt habe, war schon sehr beeindruckend.
Leider war ich eben nicht gesund. An die Erkältung hat sich nämlich nahtlos eine kleine Lebensmittelvergiftung angeschlossen. Vielleicht waren es die Muscheln am Abend zuvor? Vielleicht das Eis im Smoothie? Ich passe recht gut auf – aber es gibt hier so viele Möglichkeiten sich etwas einzufangen… Auf dem abteuerlichen Weg mit Bus und Minibus von Chian Rai in die Berge ging es mir also stündlich schlechter. Nachmittags am Ziel angekommen, habe ich mit meinem Dolmetscher zusammen irgendwie noch eine erste, spannende und hoch informative Teeprobe überstanden, bin danach aber wie tot ins Bett gefallen und bis zum nächsten Vormittag nicht wieder aufgestanden. Die Nacht hatte ich heftiges Fieber.
Also habe ich auch an Tag zwei in Doi Maesalong nur eine einzige Teeplantage besuchen können – zu mehr hat die Kraft nicht gereicht. Aber das war zum Vergleichen richtig und wichtig. Nun wusste ich, wo ich meinen Tee kaufen wollte, wer mein Vertrauen hat. Zum ersten Mal in meinem Leben saß ich außerdem auf einem Motorrad. Als Beifahrer hinter meinem Dolmetscher. Das Fahrzeug hatten wir für für einen Tag geliehen. Führerschein? Hat keinen interessiert. Vertrag, Versicherung, Helme? Gibt es alles nicht. Wir haben dem Jungen, der uns das Motorrad am Hotel vor die Tür gestellt hat, umgerechnet fünf Euro in die Hand gedrückt – das wars. Ich glaube, so läuft das aber auch nur, wenn man fließend Thai spricht. Mein kleiner Helfer hat mich also noch schnell über die steilen, staubigen Straßen zum nächsten Geldautomaten mitgenommen, so konnte ich schließlich noch 20 Kilo Tee direkt kaufen. Eine weitere Sorte wird noch für mich verpackt und in Kürze nach Deutschland geschickt.
Meinen ersten und bisher einzigen Tempelbesuch dieser Reise habe ich übrigens schon am Montag hinter mich gebracht. Quasi, um dem Unternehmen den Segen zu geben. Tatsächlich: Als ich am Weißen Tempel angekommen war, hat er mich doch sehr berührt, auch wenn ich nicht allzu spirituell, geschweige denn religiös bin. Dieses Jahrhundert-Bauwerk, das noch in den Kinderschuhen steckt, ist doch schon atemberaubend. Am meisten beeindruckt haben mich die Wandmalereien im Tempel selbst, dort, wo nicht fotografiert werden darf. Der Künstler, dessen Lebenswerk der Weiße Tempel darstellt, hat auf der gegenüberliegenden Seite der Buddha-Figur die vergängliche, verderbliche Seite des irdischen Lebens dargestellt. Und das voller Humor, beinahe als Comic! In dem detailverliebten, monumentalen Bild finden sich Michael Jackson, Batman, die Minions und sogar ein Angry Bird – es kann nicht lange her sein, dass dieses Meisterwerk vollendet wurde. Aus dem apokalyptischen Wirrwarr lösen sich befreite Menschen, die an den Seitenwänden des Tempels in Richtung von Buddha fliegen. Wunderbar.
Wie bei Tempeln üblich, gab es auch bei diesem die Gelegenheit, gegen eine Spende ein Blechamulett zu beschriften und an einen Ständer gebunden den Mönchen zu überlassen. Zigtausende Namen, Grüße und Wünsche hängen dort schon. Diesmal wollte ich mich auch verewigen. Beinahe hätte ich etwas von einem „Erfolg“ geschrieben. Dann hat mich der Gedanke an Johannes überfallen – und ich habe mich ein bisschen für den Egoismus geschämt. Es ist also ein Gedenk-Amulett geworden. Einige Minuten habe ich inne gehalten. Einer der Mönche, die sonst immer so unbeteiligt ihren Pflichten nachgehen, stutzte sichtlich, als er an mir vorbeikam. Trauernde Touristen sind wohl selten.
Wenige Meter weiter gab es dann zu meiner Überraschung gleich noch eine Gelegenheit, diesmal mit etwas anders geformten Plaketten, die unter kleine Kegeldächer gehängt wurden. Dort habe ich schließlich meinen Wunsch für ein erfolgreiches Geschäft angebracht.