„Keine Nachrichten sind gute Nachrichten“, pflegen meine Schwiegereltern gerne zu sagen, wenn sie länger nichts von ihren Kindern und Schwiegerkindern gehört haben. Ich finde, dass sie da ausnahmsweise mal unrecht haben. Bei mir heißt längeres Schweigen jedenfalls oft auch, dass ich mich verkrochen habe, dass mich Fragen und Fröhlichkeit anstrengen, dass mir vielleicht sogar das Blog schreiben schwer fällt. So erklären sich die anderthalb Wochen, die seit meinem letzten Eintrag vergangen sind. Eine ganze Woche davon war ich vor allem mal niedergeschlagen, müde und antriebslos. An manchen Tagen habe ich nur mein selbst auferlegtes Schwimmtraining geschafft, eher das Minimalprogramm, manchmal auch noch eine Verabredung – trotz allem. Dazwischen die hohe Kunst der Prokrastination: Stundenlang sinnlose Flüge recherchieren, beim Essen durchs nachmittägliche Fernsehprogramm zappen, Tierdokus schauen, wegdämmern. Oder andersrum.
Das ganze war ein Trauerspiel. Im wahrsten Wortsinn. Denn die Trauer hatte sich in diesen Tagen verändert: Ich konnte sie nicht mehr minutenweise an mich heranlassen und dann wieder beiseite stellen Sie war einfach latent da, verfolgte mich wie ein Schatten, verdunkelte die Stunden, lag bleischwer auf meinen Schultern. Es wurde sogar körperlich – jedenfalls glaube ich das. Zeitweise hatte ich Kopfschmerzen oder habe – was besonders unangenehm ist – schlecht Luft bekommen. Dieses Phänomen kannte ich schon, hatte es vor zwei Jahren mal und war deswegen auch beim Arzt. Ein Kortisonspray hat mir seinerzeit Luft verschafft (und nebenbei die Stimme ramponiert). Zur Sicherheit lasse ich trotzdem bald nochmal nachschauen.
Dass ich meinen geliebten Mann jede Nacht in meinen Träumen wieder sehe, brauche ich da wohl kaum zu erwähnen. Leider ist er immer krank. Meine Erinnerungen an den gesunden Johannes sind wohl schon recht blass. Meine Träume bleiben dabei meist abstrakt, reale Orte kommen nicht vor, Kausalität ist unwichtig, die Szenen folgen nur einer inneren Logik. Und so stehen wir immer wieder mitten im Kampf gegen diese gemeine Krankheit oder sind traurig über deren Ausweglosigkeit. Das kann dennoch wunderschön sein – immerhin ist er dann ja wieder da! Und nach nichts sehne ich mir mehr.
In dem ganzen Trübsinn gab es zum Glück aber auch lichtere Momente. Vielleicht ein Wendepunkt war Mitte vergangener Woche der Besuch meines Ex-Freundes Basti. Zu ihm hatte ich lange Zeit eher ein Großer-Bruder-Verhältnis, schließlich ist er zehn Jahre jünger als ich. Zuletzt hatten wir uns vor zwei Jahren gesehen, danach hat mich zunächst die Krankheit in Beschlag genommen, später war ich enttäuscht darüber, dass er sich in dieser dramatischen Lebenslage nicht mal bei mir meldet. Aber abschließen konnte ich das Kapitel so nicht, dafür stand er mir früher zu nahe. Also habe ich ihn eingeladen, voller Skepsis – und wurde überrascht. In den zwei Jahren der Funkstille hat er sich grandios entwickelt, ist klarer, reifer und gelassener geworden, hat einen tollen Partner gefunden, ist selbst unter die Lehrer gegangen. Damit hat er sich endgültig aus der Kleiner-Bruder-Rolle gelöst. Das Frühstück mit ihm hat schließlich sechseinhalb Stunden gedauert und irgendwie nicht nur satt sondern auch glücklich gemacht.
Inzwischen gehts mir wieder besser. Am Wochenende war ich in Braunschweig zum – na, klar – Go-Turnier. Ich hatte eine gute Zeit dort und habe vier von vier Spielen gewonnen. Jetzt, am Montagmorgen, zurück am Schreibtisch, schreckt mich auch die Aufgabenliste nicht mehr, die da vergangene Woche lang und länger geworden ist.