Was mach ich nur mit…?

imageAnderthalb Wochen bin ich nun zurück und kann zum Glück sagen: Es ist nicht alles Grau in Grau. Natürlich habe ich bessere und schlechtere Tage – und selbst von Stunde zu Stunde wechselt die Verfassung. Aber irgendwie geht es voran, ich wurschtel mich durch. Und manchmal staune ich selbst über Momente der guten Laune, wenn ich lauthals über irgendeinen Blödsinn im Fernsehen lache oder mich abends beim Bier an guter Gesellschaft wärme.

Sogar der Schlaf ist etwas erholsamer geworden, dieser Tage. Heute bin ich beinahe strotzdend vor Energie aus dem Bett gehüpft. Seit einer Woche besitze ich die sogenannte Abo-Card für das Schwimmsport-Leistungszentrum auf den Südhöhen. Bisher bin ich dort fast jeden Tag und schaffe einen halben bis ganzen Kilometer. Routinierte Schwimmer lächeln da nur müde, für mich ist das genau richtig.

Zur Selbstfürsorge gehört auch, dass ich mich nicht mutwillig selbst quäle. In den ersten Tagen nach Johannes Tod habe ich manchmal noch die Wohnungstür geöffnet und betont arglos „Haaalloo…“ in den Flur gerufen, nur um einen Wimpernschlag lang zu spüren, wie schön doch die Normalität wäre und wie schwer gleich danach die unvermeidliche Stille wiegt. Nein, das muss nicht sein. Stattdessen beschäftige ich mich lieber etwas ernsthafter mit Johannes Nachlass. Unseren Freund Kanga habe ich schon eingeladen, damit er bald mal für ein Wochenende aus dem Schwäbischen zu Besuch kommt und mir beim Sortieren hilft. Johannes hat viel Technik angehäuft, die ich nicht einordnen kann, vor allem nostalgische Computer, deren Teile und Zubehör. Bei dem Großteil des Fundus wird mir die Trennung nicht schwer fallen. Hoffentlich.

Viel komplizierter wird es bei den alltäglichen Dingen, der Kulturbeutel im Bad, die Klamotten im Schrank, der Inhalt seiner Geldbörse. Die Sammlung der Plastikkarten ist wie ein Konzentrat aus seinem und unserem Leben: Der Jugendherbergs-Ausweis (vor allem bei der Bestrahlung in Heidelberg gebraucht), die Sonnenstudio-Wertkarte (gelegentlich sind wir da im Winter hin), der Führerschein (er ist auch krank noch lange gefahren), die Bahncard, der Behindertenausweis (der fünf Jahre gilt und den wir doch unbedingt verlängern wollten). Der kleine Kartenstapel liegt in der Küche herum und wird von mir hin- und hergeschoben.

Noch schwieriger: Was soll ich nur mit seinem Trauring machen? Meinen trage ich natürlich bis zum Umfallen. Doch seiner passt mir nichtmal an den kleinen Finger. Als Kette um den Hals getragen, könnte ich ihn verlieren. Das will ich auf keinen Fall riskieren. Und würde er dort überhaupt hingehören? Sollte er nicht möglichst nah bei Johannes bleiben, also irgendwo am Grab? Noch habe ich keine Antwort. Er war ihm so ungeheuer wichtig. Nur einmal, als der viel zu enge Stahl ihm Schwielen verursacht hatte, musste der Ring ein Weilchen an die andere Hand umziehen.

imageA propos Grab: Das hat sich inzwischen stark verändert. Die Friedhofsgärtner haben es so weit aufbereitet, dass es bepflanzbar ist. Und meine Schwiegermutter hat schon einiges an Zeit und Liebe hineingesteckt. Fehlt demnächst noch ein Grabstein – der womöglich gar kein Stein wird, sondern etwas ganz Eigenes, aus Holz zum Beispiel.

Wie sehr mich die Trauer dieser Tage beschäftigt, auch unterschwellig, kann ich übrigens auch ganz direkt ablesen. Der Indikator ist mein Rang beim Go. Jedes Turnier fließt da mit ein – und da ich zur Ablenkung das eine oder andere gespielt habe, ist er recht aussagekräftig. Erst vergangenes Wochenende wollte ich ihn wieder etwas aus dem Keller holen und bin nach Eindhoven gefahren, anderhalb Stunden von hier im holländischen Brabant. Doch das war wohl nix. Nach zwei intensiven, anstrengenden und erfolglosen Partien habe ich die Rückreise angetreten und mir den zweiten Turniertag geschenkt. Wirklich frustriert bin ich wegen dieses Formtiefs nicht. Höchstens erstaunt.

1 Comment

  1. Lieber Erik,

    hoffentlich hat mein „alterndes Gedächtnis“ so alles behalten was du geschrieben hast…
    Auf jeden Fall… Du „klingst“ gut… sogar sehr energetisch und aktiv und wie du ja auch schreibst.. mal auch lachend und vor allen Dingen…dich nicht unnötig quälend…
    wenn ich jetzt hier ein smiley aussuchen könnte, würde das der sein mit dem „Daumen hoch“ und breitem Grinsen …

    Mit Elan aus dem Bett gehüpft… ein „like“…
    Nicht mehr Hallooo rufen… also nicht quälen… ein sehr , sehr grosses“like“
    schwimmen gehen… ein grosses „like“
    sich gute Freunde einladen, die dir helfen… ebenfalls ein grosses „like“
    sich um den „Nachlass“ kümmern… ein „like“
    und ein ultimatives “ SUPER LIKE“ , das du wahrhaftig nicht mehr alles grau in grau siehst…

    Vielleicht sind alte Traditionen gar nicht die schlechtesten… Dann geht zwar etwas die innere Beschriftung verloren bzw sie wird „verwischter“…Zu früheren Zeiten haben die „Hier Gebliebenen“ einfach den Ring weiten lassen und sie zusammen an der linken Hand getragen…
    Wenn man Rechtshänder ist, ist die linke Hand einfach weniger kräftig…
    Ausserdem sagt man, das die linke Hand, überhaupt die linke Körperseite die „Herzseite“ ist… Also würden beide Ringe energetisch mehr DEIN Herz erreichen. Ich weiss, das du jetzt lächelnd innerlich sagst“ wieder so etwas esoterisches von der Claudia.“… Aber du weisst, das ich so bin.

    Übrigens habe ich festgestellt, dass deine Finger und auch deine Hand zwar größer sind, aber dennoch auch wie bei Johannes, sehr grazil wirken…
    Zu dem “ sortieren“… Lass dir alle Zeit der Welt dazu… Nichts MUSS sein… ALLES kann sein… und es wird IMMER der richtige Zeitpunkt kommen, wo man es dann einfach machen kann… Das ist meine Erfahrung… und ich habe jetzt fast in einigen Monaten die 3 Jahres-Erfahrung…

    Leider kann man das ja nicht auf einem Grab auf dem Friedhof machen… Ich habe ein für mich und …Burkard hätte das Wurzelstück auch gefallen, auf den Urnenplatz gelegt und einen Lavastein, der orange und rot und auch eben halt schwärzlich ist…Natürlich werden da immer wieder mal auch Blumen und Zweige hingelegt.

    Hast du nicht einen befreundeten Holzbildhauer , der dir eine Art Stele für Johannes machen könnte?

    So, ich höre jetzt auf zu „kommentieren“, weil ja vielleicht auch andere dir produktive Vorschläge machen wollen …
    Auf jeden Fall könnten doch die „likes“ das Go Turnier etwas neutralisieren, oder sogar im Wert innerlich steigern helfen… weil du dich ja auch gar nicht schlecht gefühlt hast.

    Ich bin erfreut über dein „Ist – Lebensgefühl“
    und grüße dich herzlich aus dem völlig stürmischen Hunsrück
    Claudia mit Burkard im Herzen und Leben

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