Flucht, die II.: Am Mittwoch habe ich spontan für Freitag einen Überraschungsflug erstanden. Der hat mich nach Mailand geführt. Ansich kein schlechtes Los: Italien mag ich, in Mailand war ich noch nie – und hier ists noch sommerlich warm. Jetzt gerade, 20.40 Uhr,  sitze ich in kurzer Hose vor einer kleinen Pizzeria bei Kerzenlicht, Rotwein und Tortellini. Wäre ich nur etwas besser beieinander. Meine fragwürdige Verfassung hat mich schon einen von drei Tagen hier unten gekostet. So bin ich nach meiner Ankunft am Freitagabend nämlich, nach ähnlich romantischem Essen, noch ausgegangen. Da die Läden, in denen ich da gelandet bin, komplett spaßfrei waren (oder eben ich selbst) habe ich versucht, das mit Longdrinks zu kompensieren.  Dabei ist es mir irgendwie gelungen, mich wie ein dusseliger Teenager abzuschießen. Aber so richtig, mit allem schmerzhaften und peinlichen Drum und Dran. Gestern war also komplett gelaufen, erst war ich mit Überleben, dann mit Regenerieren beschäftigt. Abends habe ich es zu einer kleinen Runde in die Stadt geschafft, um Mitternacht war ich dann statt in der Disko lieber im 24/7-Supermarkt, habe mir ein Nachtmahl geholt und bin ab ins Bett.

Heute also mit frischen Kräften dieser Stadt gewidmet, die ich bis dato gewaltig unterschätzt hatte. Mailand ist Italien von seiner prächtigsten Seite, ohne dabei langweilig zu sein. Am Dom hat´s mir fast die Sprache verschlagen. Nahe dem Bahnhof Garibaldi hat sich die Stadt ganz neu erfunden, mit einem Zentrum zum Shoppen, Flanieren und Wohnen, das konzeptionell und architektonisch wirklich aufregend ist. Hier ist eben auch gerade Expo – das merkt man zum Glück nicht nur an den Hotelpreisen.

Unterwegs war ich heute zum Teil auch mit dem Fahrrad. Die Stadt hat ein Netz mit Fahrradstationen, das praktisch kostenlos genutzt werden kann, sofern man das Rad nicht zu lange behält. Man sieht auch viele Leute mit den Leihfahrrädern – und das, obwohl es hier praktisch keinen einzigen Fahrradweg gibt, stattdessen ein halsbrecherisches Getümmel auf holprigem Pflaster. Das ist wohl typisch Italien: Wo es sowieso schon drunter und drüber geht, machen ein paar Fahrräder auch nix mehr aus. Ich bin also, wie die anderen, frei von Regeln fröhlich auf Sicht gefahren.

Apropos fröhlich: Das bin ich längst nicht. Je schöner nämlich mein Tag, je beeindruckender die Erlebnisse, desto mehr fehlt mir Johannes. Auch Italien steckt voller gemeinsamer Erinnerungen. Zum Glück war ich noch an keinem Ort, den wir bereist haben. Der Kölner Flughafen (dort war ich mit Johannes zuletzt im Februar) hat mir schon gereicht.

Morgen will ich eigentlich, bevor abends der Flieger zurück geht, noch auf die Expo. Mal sehen. Vielleicht lasse ich es auch ruhiger angehen und beschränke mich auf einen weiteren Stadtbummel.